Additive Fertigung von multifunktionalen Bauteilen | MFD – Material Forschungsverbund Dresden

2. September 2020

Additive Fertigung von multifunktionalen Bauteilen

Die additive Fertigung gehört zu den derzeit wichtigsten Trends in der Industrie. Nun hat ein Team des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme IKTS eine Anlage für das Multi Material Jetting entwickelt, mit der sich unterschiedliche Werkstoffe zu einem einzigen additiv gefertigten Bauteil vereinen lassen. Dadurch sind Produkte mit kombinierten Eigenschaften oder Funktionen realisierbar. Besonders leistungsfähige Materialien wie Keramik und Metall kommen in dieser Anlage zum Einsatz.

Bei der additiven Fertigung, beziehungsweise dem 3D-Druck, wird das gewünschte Produkt nicht aus einem Stück geformt, sondern Schicht für Schicht aufgetragen. Das ermöglicht die präzise und individuelle Fertigung mit genau definierten Produkteigenschaften. Und die Technologie wird ständig weiterentwickelt. Waren es anfangs hauptsächlich Kunststoffe, werden seit einiger Zeit auch Metalle oder Keramik-basierte Werkstoffe verarbeitet.

Einen großen Schritt weiter geht nun das Fraunhofer IKTS. Die Forschenden haben eine Anlage entwickelt, mit der die additive Fertigung von Multimaterial-Bauteilen basierend auf thermoplastischen Bindersystemen möglich wird. Beim sogenannten Multi Material Jetting (MMJ) werden verschiedene Materialien mit ihren jeweils unterschiedlichen Merkmalen zu einem Produkt zusammengefügt. »Wir können derzeit bis zu vier Stoffe gleichzeitig verarbeiten«, erklärt Uwe Scheithauer, Wissenschaftler am IKTS. Die Einsatzgebiete sind vielfältig und liegen überall da, wo Unternehmen hochintegrierte multifunktionale Bauteile mit individuell definierten Eigenschaften herstellen wollen.

Die Fertigung geschieht in einem fortlaufenden Prozess. Zunächst
erfolgt die homogene Verteilung der pulverförmigen keramischen oder
metallischen Ausgangsmaterialien in einer thermoplastischen
Bindersubstanz. Die so hergestellten Massen werden in Mikrodosiersysteme
(MDS) eingefüllt, worauf der eigentliche Fertigungsprozess startet. In
den MDS werden die Massen bei rund 100 Grad Celsius aufgeschmolzen,
wodurch sie sehr fein dosierbar sind. Um eine präzise Positionierung der
Tröpfchen zu realisieren, entwickelten die IKTS-Wissenschaftler eine
entsprechende Software: Die Dosiersysteme legen computergesteuert
hochpräzise Tropfen für Tropfen an der richtigen Stelle ab, wodurch sich
das Bauteil punktweise aufbaut – bis zu 60 mm und 1000 Tropfen pro
Sekunde. Die Anlage arbeitet mit einer Tropfengröße zwischen 300 und
1000 μm, was zu einer Höhe der aufgetragenen Schichten zwischen 100 und
200 μm führt. Maximal lassen sich derzeit Bauteile der Größe 20 × 20 ×
18 Zentimeter herstellen. »Das Entscheidende ist die individuelle
Dosierung der Metall- oder Keramikmassen. Diese Dosierung sorgt dafür,
dass das additiv gefertigte Endprodukt während der abschließenden
Sinterung im Ofen die gewünschten Eigenschaften und Funktionen wie
Festigkeit, thermische und elektrische Leitfähigkeit erhält«, sagt
Scheithauer.

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Ein hochkomplexes Bauteil – wie beispielsweise der Zünder in einem
Satellitentriebwerk aus Keramik – kann mit der neuen IKTS-Anlage
realisiert werden. In der Brennkammer eines solchen Triebwerks herrschen
extrem hohe Temperaturen. Die hitzebeständige Keramik ist dafür ein
ideales Material. Mit MMJ lässt sich ein Zünder für das Tiebwerk
herstellen, der direkt integriert ist und zudem elektrisch leitfähige
und elektrisch isolierende Bereiche in einem einzigen, extrem robusten
Bauteil vereint. Nötig sind dazu drei Dosiersysteme: eins für ein
stützendes Supportmaterial, das während der Wärmebehandlung im Ofen
zersetzt wird, ein zweites für die elektrisch leitfähige und ein drittes
für die elektrisch isolierende Komponente. Auch im Bereich
Consumerprodukte sind zahlreiche Anwendungen denkbar, etwa eine
zweifarbige keramische Uhrenlünette, die als individuelles Einzelstück
für einen Kunden produziert wird.

Aufgrund der hohen Präzision und Flexibilität der Anlage taugt sie
nicht nur für die Herstellung multifunktionaler Komponenten. »Wir
könnten beispielsweise auch die Rohlinge für Werkstücke aus Hartmetall
fertigen. Da die Dosiersysteme extrem präzise arbeiten, sind die
Rohlinge schon sehr nahe an der Endkontur und müssen anders als bei
herkömmlichen Verfahren kaum mehr aufwendig nachgeschliffen werden. Das
ist bei Hartmetall ein großer Vorteil«, sagt Scheithauer.

Das Projekt am IKTS hat gezeigt, dass die Technik auch in der Praxis funktioniert und skalierbar ist. Im nächsten Schritt folgt die Validierung für den Industrieeinsatz. Neben der Hardware bietet das IKTS Industriekunden auch die Material- und Softwareentwicklung für die Prozessüberwachung und -automatisierung an. Der Kunde erhält so alles aus einer Hand und nach seinen Anforderungen maßgeschneidert. Interessierte haben die Möglichkeit, die Technik im Rahmen der digitalen AM Ceramics meets CERAMITEC Conference am 16. und 17. September 2020 kennenzulernen.
– > Zur News des Fraunhofer IKTS.

Siehe auch  3D-gedruckte Gasturbine | MFD - Material Forschungsverbund Dresden

Weitere Informationen zu Verfahren der Additiven Fertigung am Fraunhofer IKTS:
-> Multi Material Jetting (MMJ): Vier Werkstoffe – ein Bauteil
-> Additive Fertigung mit Keramik, (Hart)-Metall und Glas

Foto ©Fraunhofer IKTS:
Bis zu vier heizbare Dosiereinheiten bewegen sich dabei in allen drei Raumrichtungen über eine feststehende Plattform. »Die verwendeten Druckköpfe unserer prototypischen Anlage sind in der Lage, je nach Geometrie und Druckgeschwindigkeit bis zu 1000 Tropfen pro Sekunde abzulegen. So schafft es die Anlage, zirka 60 mm pro Sekunde zu fertige Kleinere Teile können somit innerhalb von 30 bis 60 Minuten hergestellt werden«, beschreibt Steven. Maximal sind Komponenten mit einer Größe von 20 x 20 x 18 cm möglich. Die Steuerungsentwicklung im Bereich SPS und die Software für die punktgenaue Steuerung der Mikrodosiereinheiten entwickelte ebenfalls ein Team des IKTS.

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